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#Ausstellung: Trau keinem über 30! Schule und Jugendkultur in Bremen 1960 bis 1975

Stolze 3 DM beträgt der Eintritt, als am 27. November 1967 Rudi Dutschke in der „Lila Eule“ auftritt. In der Ausstellung „Trau keinem über 30!“ ist nun das Einladungsflugblatt zu sehen. In der Ausstellung geht es erfreulicherweise auch sehr viel um Protest, aber vor allem um Schule und zwar aus der Sicht von SchülerInnen, LehrerInnen und der staatlichen Behörden. Eine Universität gibt es Ende der 1960er Jahre in Bremen ja noch nicht, nur eine kleine Pädagogische Hochschule, und so werden die SchülerInnen zum Motor des Aufbruchs.

Schülerzeitungen, Schulbücher, Illustrierte – so waren die 1960er

Die grundsätzlich chronologisch aufgebaute Ausstellung beginnt Anfang der 1960er Jahre mit dem sich immer ausbreitenden Pop und Rock. Auch in den späteren Phasen zeigen sich Musik und Lifestyle als der Humus der Jugendkulturen. Inhaltlich geht es Protest und Selbstbestimmung, Mode, Wohnen und Kommunikationsformen, Sexualkunde, Beatmusik und die Idole der 1960er Jahre. Hier funktioniert die Aura der Exponate: Schülerzeitungen, die oft verboten wurden, Schulbücher, die schon am Cover die Modernisierung erkennen lassen, Spielzeug, Illustrierte, …..

Erdkundeunterricht 1960. (Fotosammlung Schulmuseum Bremen)

Es ist verblüffend zu sehen, dass es 1967 schon Sprachlabore gibt, etwa in der Schule Helgolander Straße. Sie wirken wie Science Fiction, gerade wenn man sie neben das Foto des überalterten Kollegiums einer Schule legt, das nur wenige Jahre zuvor entstand – und wie aus der Kaiserzeit wirkt. Das damals uneingeschränkt sozialdemokratische Bremen modernisiert seinerzeit eh seine Infrastruktur, und reagiert damit auch auf den Protest. Aus der Revolte ist systemkonforme Mitbestimmung geworden, aus dem alten Schulsystem entstanden Gesamtschulen, bereits 1970 wird die erste eröffnet. Es entstehen die Lernfabriken, gegen die sich dann die Abneigung der No-Future-Generation und Punks einerseits und die eher romantische Kritik der Alternativbewegung der 1980er Jahre andererseits richten werden. Viele der damals Protestierenden werden selbst LehrerIn, wenn nicht sogar SchulleiterIn oder gar PolitikerIn. Größere Schülerprostete gibt es in Bremen erst wieder, als die bis heute andauernde neoliberale Sparpolitik beginnt.

Zeitsprung mit Schulprojekten: Jugendkultur vor 50 Jahren

Protest: Sit-In im Lehrerzimmer des Wirtschaftsgymnasiums, 1968. (Fotosammlung Staatsarchiv Bremen)

Integraler Teil der Ausstellung sind die Ergebnisse von über einem Dutzend Schulprojekten. Hier gingen SchülerInnen von heute in den Dialog mit dem Lebensgefühl (und der Protestkultur?) der Großeltern-Generation. Das Besondere daran ist, dass die Schulklassen selbstgewählte Themenschwerpunkte zu der Ausstellung zusammen mit dem Museum erarbeitet haben und kreativ präsentieren. In einem Schulhalbjahr sind auf der Basis vieler Zeitzeugengespräche und der Recherche historischer Quellen ganz unterschiedliche Präsentationen wie Filme, Podcasts oder Objektinszenierungen entstanden, die die Schulgeschichte von vor 50 Jahren lebendig werden lassen.

Hörsaal im Gymnasium Hamburger Straße 1963. (Fotosammlung Schulmuseum Bremen)

Die SchülerInnen in den Projekten, erhielten, wie jetzt alle BesucherInnen dieser sehr sehenswerten Ausstellung, ein alltagsnahes Bild über diesen Aspekt der langen „Achtundsechziger Jahre“. Ein weiterer Pluspunkt der Ausstellung ist, dass sie unaufgeregt die nervige Selbststilisierung der 68er vermeidet.

Also hingehen, ansehen, Buch dazu kaufen und lesen.

 

Noch bis zum 1. Juli 2018, Untere Rathaushalle Bremen, Täglich geöffnet von 11 bis 17 Uhr, donnerstags von 11 bis 20 Uhr, Eintritt frei.

Informationen zu den Filmen und Diskussionen des Begleitprogramms im Veranstaltungskalender, der hier als PDF verfügbar ist.

Begleitpublikation für günstige 14,90 EUR (160 Seiten, 167 Abb, Verlag Edition Falkenberg Bremen, ISBN 9783954941544)

Text: Bernd Hüttner

Beitragsbild: Demonstration gegen den Vietnamkrieg, Mai 1968 (Fotosammlung Staatsarchiv Bremen).

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