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Grüne Woche: Auf zur Trecker-Demo nach Berlin

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Die Grüne Woche lockt auch Demonstranten nach Berlin: Aufruf zur Groß-Demo am 21.Januar 2017. Grafik: WHES2017

Am Samstag startet sie wieder, die Grüne Woche in Berlin. Während die Organisatoren sie als „d i e weltgrößte Messe für Ernährung, Landwirtschaft und Gartenbau“ anpreisen und mehr als 400.000 BesucherInnen erwarten, nutzen Kritiker von „Wir haben es satt“ die Gelegenheit, auf die katastrophale Lage der kleinbäuerlichen Landwirtschaft und die Gefährdungen der Marktkonzentration beim Saatgut hinzuweisen. Höhepunkt von #WHES2017 wird wieder die Trecker-Demo am Samstag mit Zehntausenden DemonstrantInnen aus der ganzen Republik.

Wir haben es satt! Höfesterben und Agrarindustrie

Es erinnert ein wenig an „Und täglich grüßt das Murmeltier“, denn schon zum siebten Mal protestieren die Menschen gegen das Höfesterben im Land, doch geändert hat sich nichts. Im Gegenteil: In den letzten zehn Jahren mussten mehr als 40.000 Milchviehbetriebe und 64.000 Schweine haltende Höfe aufgeben, der Trend ist ungebrochen. Zweites Thema der diesjährigen Proteste: Die Konzentration in der Fleischverarbeitung mit hohem Preisdruck und prekären Arbeitsbedingungen nimmt zu.

Außerdem wollen die 50 Organisationen hinter der Groß-Demo die Marktmacht beim Saatgut anprangern: Chemieriese Bayer will Gentech-Saatgutproduzent Monsanto kaufen. Jochen Fritz, Organisator der Demo und Landwirt im Nebenerwerb, erklärt: „Wer die Saat hat, hat das Sagen – dieses alte bäuerliche Sprichwort ist heute immer noch richtig. Die Fusion von Bayer und Monsanto ist eine Gefahr für uns alle.“  Dahinter steckt die Befürchtung, dass der Konzern durch seine Monopolstellung noch mehr Macht über die Ernährungsgrundlagen der Welt erhalten würde. Kritisch sei insbesondere, dass Bayer-Monsanto mit Saatgut, das nur gegen seine eigenen Pflanzenschutzmittel wie Glyphosat resistent ist, alternativlos für Bauern werden will.

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So wünschen sich die Deutschen das Leben für Enten: Freilaufend und möglichst regional. Foto: Lisa Iwan / Arche Warder für Grüne Woche 2017

Im Wahljahr Druck aufbauen: Zurück zur bäuerlichen  Landwirtschaft

Gerade im Wahljahr sollen unbequeme Fragen in der Bundespolitik Akzente setzen: Wollen die Deutschen weiterhin Milliarden aus Steuergeldern für Agrar- und Chemieindustrie, Großgrundbesitz und Tierfabriken ausgeben? Oder für regionale Landwirtschaft und das Lebensmittelhandwerk sowie Tier- und Umweltschutz? Für die Organisationen hinter #WHES2017 ist klar: Sie wollen, dass die Politik sich dafür einsetzt, kleine und mittlere Bauernhöfe zu erhalten, den Weg zu gesundem Essen und mehr Tierwohl ebnen und Konzernmacht eindämmen. Wie massiv sich die Marktlage verdichtet hat, belegt der gerade erschienene Konzernatlas von Böll- und Rosa-Luxemburg-Stiftung, BUND, Oxfam, Germanwatch und Le Monde diplomatique. Er zeigt auf, wie wenig die Produktion von Lebensmitteln mit bäuerlicher Landwirtschaft, traditionellem Handwerk und einer intakten Natur zu tun hat. Dabei ist es aber genau das, was die Menschen sich unter guten Lebensmitteln vorstellen.

Stichwort: Regional und Bio kaufen

Auch dafür gibt es pünktlich zur Grünen Woche eine neue Befragung. Der Ernährungsreport 2016 belegt: Die Deutschen wünschen sich eine bessere Bezahlung für Bauern (70%), bessere Umweltverträglichkeit (86%) und eine artgerechte Haltung der Tiere (88%). Dafür sind sie auch bereit, mehr zu bezahlen, im Schnitt 6,50 Euro mehr fürs Kilo Schweinefleisch (aktuell kostet ein Kilo 10 Euro). Außerdem ist auch die regionale Herkunft von Lebensmitteln ein wichtiges Kaufargument für die Deutschen. Dass merkt man sogar im Supermarkt und Discounter, die immer öfter eine eigene Regio-Ecke einrichten. Demnach müssen die Deutschen eigentlich nur noch ihrer Überzeugung Taten folgen lassen. Wer zum Beispiel Bio-Produkte aus der Region kauft, trägt schon viel dazu bei, dass sich die Landwirtschaft ändern kann.

Grüne Woche: BioStadt Bremen, Craft-Beer und Bio

Wenn es um eine gute Entwicklung in der Lebensmittelproduktion geht, zeigt die Grüne Woche vorbildlich wie: nämlich regional und Bio. Fast alle Bundesländer sind vertreten, zeigen ihre regionalen Spezialitäten. Bremen präsentiert seine Aktivitäten als BioStadt. Mit am Stand ist der junge Verein Genussland, der sich zum Ziel gesetzt hat, Bio-Erzeuger, -Handel und -Gastro aus der Region zu vernetzen und bekannter zu machen. Auch der Trend zu bewusst handwerklich, in kleinem Rahmen produzierten Lebensmitteln wie z.B. Craft-Bier steht in Berlin im Fokus. Und dann gibt es eine Halle nur mit Bio-Anbietern und einem Erlebnis-Bauernhof.

Fehlen also „nur“ noch die politischen Rahmenbedingungen, damit sich die schöne Welt nicht nur auf der Messe, sondern auch im ganzen Land als Standard manifestiert und die idyllischen Bilder mit glücklichen Kühen und freundlichen Bauern auf den Verpackungen auch wieder der Realität entsprechen. Dass sie im Moment eher wütend sind werden die echte BäuerInnen bei der Demo zeigen, auf ihrem eigenen Trecker. Vergangenes Jahr waren es immerhin 90 aus dem ganzen Land angerollt waren!

 


 

Aus der Bremer Region fahren Busse nach Berlin (z.B. aus Syke und Ganderkesee), der Bremer BUND musste seine Fahrt mangels Nachfrage stornieren. Und wer nicht extra nach Berlin fahren möchte, kann auch die Treckerfahrer per Patenschaft unterstützen.

Den Aufruf und die neun Forderungen sowie Infos zur Anfahrt nach Berlin findet ihr auf www.wir-haben-es-satt.de

Mehr Infos über die Marktkonzentration im Lebensmittelbereich liefert der Konzernatlas mit Daten und Fakten über die Agrar- und Lebensmittelindustrie 2017 der gemeinsam von der grünen Heinrich-Böll-Stiftung, der linken Rosa-Luxemburg-Stiftung, dem BUND, Oxfam, Germanwatch und Le Monde diplomatique herausgegeben wurde. Kostenloser Download und Bestellmöglichkeit hier: https://www.boell.de/de/2017/01/10/konzernatlas

Text: Heike Mühldorfer