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#Buchtipp: Silke Burmester und der Mutter-Blues

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Was für den Sohn (oder die Tochter) ein spannender Aufbruch ins Ungewisse ist, kann für die Mutter zur Krise werden. © pixabay.com

In Mutter-Blues berichtet die bekannte Journalistin Silke Burmester von ihrer tiefen Krise, in die sie der Abschied von ihrem Sohn stürzt. Diese beginnt, als ihr Sohn ungefähr 14 ist, Hauptgegenstand des Buches ist die Zeit zwischen seinem 17. und 19. Lebensjahr.
Dabei merkt Burmester zusehends, dass es nicht vorrangig um seine Veränderung geht (Stichwort: „Pubertät“), sondern um ihre. Was geschieht mit ihr? Sie ist voller Trauer und Schmerz, und es dauert einige Zeit, bis sie die positiven Seiten dieser Krise sehen kann. Meist fühlt sie sich trotz aller Reflektion zurückgewiesen, als sie sieht, dass ihr Sohn sie nicht mehr so braucht und zum Beispiel nach gefühlt über 2.500 geschmierten Schulfrühstücksbroten sagt: „Mama, ich brauche dich nicht für meine Freizeit, ich habe Freunde“. Sie erlebt das wie die einseitige Aufkündigung einer Liebesbeziehung, die sie sehr ohnmächtig zurücklässt. Denn sie weiß, einerseits, für das Kind ist das der normale Gang seiner Entwicklung. Sie aber ist traurig, darüber, dass vom Kind immer weniger zurückkommt, fühlt sich verlassen. Der Schmerz geht jedenfalls nicht so schnell wieder weg.

Mutter-Blues – Krise und Umbruch

Mütter mit Mitte, Ende 40 sind, so Burmester in einer grundlegenden Umbruchsituation: Die Kinder sind agil und voller Energie, brechen auf, sie erblühen, während man/frau selbst das Gefühl des Verwelkens bekommt, sich mit den persönlichen Gebrechen beschäftigt und sich erstmals mit der Endlichkeit des eigenen Lebens auseinandersetzt. Hinzu kommen die Wechseljahre, über die sie ebenfalls berichtet und drittens oftmals schon der Abschied von den eigenen Eltern, zumindest als eigenständig handelnden Menschen.

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Noch ein Symbolbild für den Mutter-Blues: Auch wenn hier die Eltern etwas distanziert in die Runde gucken. Foto ©: Ospreys / pixabay.com

Was kommt nach der aktiven Elternphase?

Mütter und Väter stehen vor einigen, grundlegenden Fragen: Was will ich nun? Wer bin ich nach dem Ende der aktiven Elternrolle? Wo geht es hin? Patchworkfamilien bieten da sogar eher Chancen, da diese Paare sich womöglich noch nicht so lange kennen und sich deswegen womöglich weniger anöden. Neue, gemeinsame Interessen entdecken hilft immer. Die Autorin blickt auch immer wieder zurück in ihre Jugend, die sich so zwischen 1980 und 1985 abgespielt hat und stellt fest, dass auch nicht alles für andere nachvollziehbar war, was sie damals getan hat. Sie selbst kommt aus einem eher schwierigen Elternhaus; ihre Mutter war Alkoholikerin und verstarb als Burmester 25 Jahre war. Sie selbst war bereits 1982, mit 16 Jahren (!) von Zuhause ausgezogen.

Zurück in die Gegenwart: Sie kann zulassen, dass ihr Sohn nun auf eigenen Beinen steht. Sie selbst beschließt von Hamburg nach Berlin zu ziehen. Was ihre langjährige Partnerin Alva damit macht, verrät sie allerdings nicht. Burmester schreibt meistens in der Ich-Perspektive, mischt aber auch Schnipsel aus Interviews, die sie mit Töchtern, Vätern und Söhnen geführt hat, in ihren Text. Sie hat ein mutiges, weil ehrliches, und auch selbstironisches Buch geschrieben, das allen (zukünftig) Betroffenen nur empfohlen werden kann. Auch den Vätern!

Das Lied zum Buch ist „Oft gefragt“ von AnnenMayKantereit, Gänsehaut garantiert!

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Silke Burmester: Mutter-Blues. Mein Kind wird erwachsen, was werde ich? Verlag Kiepenheuer & Witsch, 246 Seiten, 14,99 EUR

Text: Bernd Hüttner, Fotos: pixabay.com (2), Verlag Kiepenheuer + Witsch