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#Reinheitsgebot: Alles über den Hype ums Bier-Jubiläum

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500 Jahre deutsches Reinheitsgebot: Gerste, Hopfen, Hefe, Wasser, mehr nicht. Grafik: © DBB

Übermorgen ist es so weit: Das deutsche Reinheitsgebot feiert seinen 500. Geburtstag. Bier darf demnach in Deutschland nur aus Gerstenmalz, Hopfen, Wasser und Hefe gebraut werden, wenn es hier verkauft werden soll. Was genau das bedeutet, ob das ein Grund zu feiern ist, was es mit dem Hype ums Craft Beer auf sich hat und warum gerade die (Craft-)Brauer übers Reinheitsgebot maulen, darüber habe ich mit einem gesprochen, der sich wirklich gut mit Bier auskennt: Carsten Eger ist einer der Braumeister der Union Brauerei in Walle und auch Biersommelier.

Warum spricht gerade jeder vom Reinheitsgebot für Bier?

Carsten Eger: Am 23. April 1516, also vor genau 500 Jahren, erließ Wilhelm IV. von Bayern das älteste noch existierende Lebensmittelgesetz der Welt, das sich noch heute im so genannten „Vorläufigen Biergesetz“ wiederfindet. Es legt fest, dass zum Bierbrauen nur Wasser, Gerste und Hopfen zu verwenden ist, später wurde es um die Zutat Hefe ergänzt, nachdem die Verursacherin des Gärungsprozesses entdeckt worden war. Fest verankert war das Reinheitsgebot seither in Bayern und dem heutigen Baden-Württemberg und seit 1906 in ganz Deutschland.

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Seite 1 der Originalurkunde zum Reinheitsgebot von 1516. © DBB

Zwischenzeitlich wurde es 1987 durch den europäischen Gerichtshof insofern gekippt, als der Import von Bieren, die nicht nach dem Reinheitsgebot gebraut wurden, erlaubt wurde, um Handelsschranken durch das Reinheitsgebot abzubauen. Die befürchtete Schwemme ausländischer Biere ist aber ausgeblieben, weil die Verbraucher am Reinheitsgebot festgehalten haben. Gebraut werden muss in Deutschland aber immer noch danach, wenn das Bier im Inland verkauft werden soll.

Zweites superaktuelles Thema in der Bierbranche ist das so genannte Craft Beer – Bier von kleinen Brauereien, die auf individuelle und dank hoher Hopfengaben und besonderer Malze besonders aromatische Sorten setzen. Ein Trend, der sich aus Amerika überallhin verbreitet hat und jetzt auch in Deutschland angekommen ist. Auch in und um Bremen zeigen Hopfenfänger, Grebhans, Schüttinger, Union Brauerei und Bannas Bier, dass die Spezialbiere sehr gut ankommen.

Carsten: In den USA Ende der 1970er Jahre gab es nur 44 Brauereien, von denen zwei als Craft Brauereien bezeichnet wurden, 2012 war man bei über 2.300 Craft Brauereien, mittlerweile spricht man von über 4.000 Brauereien, die etwa 20 Prozent Marktanteil haben, aber mehr als die Hälfte des amerikanischen Hopfens verbrauchen. Ein wunderbares Beispiel, wie sich ein Markt neu erfinden kann, wenn die Bierlandschaft zu eintönig wird und man sich wieder nach Besonderheiten sehnt.

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Fünf Mal Geschmack: Fünf Probegläser mit je einem unverwechselbaren Craft Beer. © Daniela Buchholz

In Deutschland sehen und kennen viele ja leider nur die Biere der großen Konzerne aus der Werbung, aber es gibt hier schon immer viele kleine und mittelgroße Brauereien – fast 90 Prozent der 1.388 Brauereien in Deutschland haben einen Ausstoß bis 50.000 hl. Die bieten eine Vielzahl besonderer Spezialitäten, die gerade die Biervielfalt in Deutschland ausmachen. Darüberhinaus suchen viele Konsumenten in Deutschland mittlerweile ebenfalls wieder nach Spezialitäten und möchten besondere Bierstile versuchen.

Die Diskussion ums Craftbier hat überall Bier wieder in eine wertige Diskussion gebracht – man lernt Bier wieder zu schätzen und zu lieben. Die Suche nach dem günstigsten Bier steht für diese Liebhaber nicht im Mittelpunkt – eher die Jagd nach besonderen Bieren. Und diesen Trend gibt es nicht nur in Deutschland und den USA, sondern es ist ein weltweiter Trend, der genauso Länder erfasst, in denen man vermuten würde, dass Wein eine bedeutendere Rolle spielt, wie Italien und Frankreich.

Aber von den Craft Brauereien kommt auch immer wieder Kritik am Reinheitsgebot. Worum geht es dabei?

Sobald man internationale Bierstile brauen möchte mit Rohstoffen wie Gewürzen, Früchten, Milchzucker oder unvermälztem Getreide, wird es schwierig. Wie zum Beispiel beim „Milkstout“ der Cambabrauerei, ein prämiertes Bier, dessen Verkauf in Deutschland jedoch untersagt wurde weil beim Brauprozess Milchzucker zugesetzt wurde. Oder wenn man mal untergäriges Bier mit Weizen-, Hafer- oder Roggenmalz brauen möchte – das sind alles natürliche Rohstoffe, aber derzeit nicht erlaubt.

 

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Grund zu feiern? Auf jeden Fall Grund mal eines der feinen Craft Biere zu kosten. © DBB

Das klingt aber nach Konfliktpotential!

Überhaupt nicht, weil alle Craftbrauer gerne natürliche Rohstoffe benutzen und verbrauen. Die Liebe zum Bier teilen alle. Ich denke, hier wäre etwas mehr Gelassenheit gefragt. Und man sollte tatsächlich einen Weg finden, auch Spezialitäten mit anderen natürlichen Zutaten zu brauen, die man entsprechend deklariert. Auf dem Etikett muss man dann den Hinweis geben, dass dieses Bier eben nicht dem Reinheitsgebot entspricht. Das „Vorläufige Biergesetz“ wartet, wie der Name schon sagt, auf eine Überarbeitung.

Brauchen wir dann noch ein Reinheitsgebot?

Ja, denn das Reinheitsgebot ist für Deutschland das Maß, das den Verbraucherschutz bei Bier sicherstellt. Man weiß einfach, dass nur natürliche Zutaten drin sind. Ein gutes Beispiel ist die Deklaration von Hopfen und Hopfenextrakt. Beides ist nach dem Reinheitsgebot zugelassen. Für ausländische Biere wird der Hopfen aber oft chemisch verändert. Trotzdem ist in der Zutatenliste kein Hinweis darauf zu lesen. Für mich ein fataler Fehler, nicht die genaue Bezeichnung (chemisch verändert) deklarieren zu müssen. Über das Label Reinheitsgebot kann ich dagegen sicher sein, dass eben nur unbehandelter Hopfen im Bier drin steckt.

Zum 500. Geburtstag des Reinheitsgebots wünsche ich allen ein wundervolles Bier, um diesen Tag gebührend zu begehen. Wir bei der Union Brauerei in Walle feiern das Reinheitsgebot am ganzen Wochenende mit einem extra eingebrauten historisches Bier „1516“ mit sanftem Malzaroma und fruchtig-weinigen Aromen.

Na denn, Prost! Danke für das Interview, Carsten.

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Craft Bier am besten im besonders geformten Degustations-Glas genießen, meint Biersommelier Carsten Eger Foto © Daniela Buchholz.

Carsten Eger kommt ursprünglich aus Oberfranken, wo bis heute Bier als Lebensmittel angesehen wird und in vielen kleinen Brauereien unendlich viele Sorten Bier entstehen.

In und um Bremen sind als Craft Brauereien auch aktiv die Bremer Braumanufaktur mit der Marke Hopfenfänger, die Brauerei Bannas in der Wildeshauser Geest, Grebhans Bier, die Mini-Brauerei aus dem Schnoor baut zurzeit eine neue, größere Braustätte in Bremen auf und die erste Bremer Gasthausbrauerei Schüttinger.

Hier bei Facebook findet ihr Infos zum Bierfest bei der Union Brauerei. Lest auch gerne noch mal unser Porträt von Doreen Gaumann, Braumeisterin ebendort im GLUCKE Magazin .

Interview: Heike Mühldorfer