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#Ausstellung: Über die Dadaistin Hannah Höch

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Hannah Höch Liebe um 1926 Fotomontage und Collage IFA Stuttgart Foto: Liedtke & Michel © VG Bild-Kunst, 2015

Die Werke von Hannah Höch sind sehr unterschiedlich, dies zeigt die aktuelle Ausstellung im Kunsthaus Stade überdeutlich. In Vorhang auf für Hannah Höch werden rund 70 Werke aus mehreren Jahrzehnten ihres Schaffens gezeigt: avantgardistische, aber auch vergleichsweise biedere: Collagen, Gemälde, Zeichnungen. Die 1889 geborene Höch malt viel, etwa „Jahreskreislauf“ von 1970; aber bekannter sind ihre (dadaistischen) Collagen. Sie sagt 1939: „Bis heute versuche ich das Foto auszubeuten. Ich benutze es wie die Farbe, oder der Dichter das Wort“. Höch gilt als wirkungsstärkste, wenn nicht bekannteste weibliche Akteurin im Dadaismus. Später ist sie die einzige der DadaistInnen, die während des Nationalsozialismus nicht ins Exil geht.

Bedeutendste Vertreterin des Dadaismus

Ein großer und bleibender Verdienst von Höch ist es, viele Erinnerungen, Dokumente und künstlerische Erzeugnisse des (Berliner) Dadaismus bewahrt zu haben. Wer sich mit ihrem Leben beschäftigt, wird auf eine Frau stoßen, von der es nicht so einfach ist, ein halbwegs kohärentes Bild zu bekommen. War sie eine selbstbewusste, selbständige Künstlerin, die wusste, was sie wollte – oder war sie nicht ebenso, wenn nicht weit stärker, eine von Melancholie geprägte, sogar Getriebene? Einer Melancholie, wie Karoline Hille so treffend schreibt, die schon Aristoteles als polaren Doppelwert beschrieben habe – mit passiver Trauer einerseits und intensiv gesteigerter Schöpferkraft andererseits?

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Hannah Höch: Mechanischer Kopf um 1925 Zeichnung, Entwurf Galerie Remmert und Barth, Düsseldorf Foto: Jörg Schanze, Düsseldorf © VG Bild-Kunst, 2015

Diese Frage stellt Hille in ihrem Buch zu Leben und Werk von Hannah Höch auf Seite 74. Sie legt den Schwerpunkt auf den Zeitraum 1918 bis 1933. Raoul Hausmann und Höch verbindet (oder trennt) von 1916 bis 1922 eine siebenjährige, gut dokumentierte amour fou: Höch möchte ein Kind, er nicht, er sieht sie nie als gleichberechtigte Künstlerin. Er verlangt von ihr mehr Distanz zu ihrer Familie, sie flieht daraufhin wiederholt nach Gotha, zu ihrer Familie. Hausmann hat bereits eine Tochter aus erster Ehe und bleibt die ganze Zeit ihrer Verbindung verheiratet, an Scheidung denkt er nicht. Sie treibt zweimal ab. 1922 malt sie (dazu passend?) das bewegende Bild „Saturn und Kind“, das ihr erstes figuratives ist.

Hannah Höch: Ein bewegtes Leben

Höch trifft 1922 die Schriftstellerin Til Brugman und zieht mit ihr nach Holland. Bereits 1929 kehren sie wieder nach Berlin zurück. 1935 trennen sie sich. 1938 heiratet Höch den wesentlich jüngeren Kurt Heinz Matthies, eine Verbindung, die vier Jahre später in die Brüche geht. Höch lebt bis 1945 vereinsamt in ihrem noch heute existierenden Haus in Berlin-Heiligensee und überlebt nur dank des Verzehrs der Erzeugnisse ihres Gartens. 1978 stirbt sie hochgeehrt im Alter von 88 Jahren in Berlin.

Die Ausstellung im Kunsthaus Stade ist noch bis 21. Februar geöffnet. Der gleichnamige Katalog (96 S., 22,90 EUR) ist im Peter Imhof Verlag erschienen (mehr).

Karoline Hille: Hannah Höch. Die zwanziger Jahre. Kunst, Liebe, Freundschaft, Braus Verlag, Berlin 2015, 111 Seiten, 24,95 EUR

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Weitere Literatur zur Biographie von Hannah Höch

Karoline Hille: Hannah Höch und Raoul Hausmann: eine Berliner Dada-Geschichte, Berlin 2000

Cara Schweitzer: Schrankenlose Freiheit für Hannah Höch. Das Leben einer Künstlerin. 1889–1978. Osburg-Verlag, Berlin 2011

Text: Bernd Hüttner