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#ausstellung: Visionen zum (verlorenen) Paradies

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August Macke: Badende am Bach, um 1912 Linolschnitt auf Japanblüten Privatbesitz © Foto Günter Weber

Seit einigen Jahren sorgt das Kunsthaus in Stade mit seiner Mischung aus klassischer Moderne und zeitgenössischer Kunst für Aufsehen und konnte damit seine Besucherzahlen steigern.

Derzeit ist dort auf drei Etagen die vom August Macke Haus in Bonn angestoßene Ausstellung „Das (verlorene) Paradies. Expressionistische Visionen zwischen Tradition und Moderne“ zu sehen. Sie stellt die Vielfalt an Vorstellungen über diesen Ort der Schönheit und Harmonie vor. Schwerpunkt ist die Zeit vor und während des Ersten Weltkrieges. In der Ausstellung finden sich Aquarelle, Holz- und Linolschnitte, Radierungen und Ölgemälde von Morgner, Uphoff, Franz Marc, August Macke, Hablik, Barlach oder Max Pechstein, um nur die prominentesten zu nennen. Das Paradies wird dabei sehr unterschiedlich verortet. Viele Künstler treibt die Sehnsucht nach einem „unverfälschten, natürlichen Leben“ um. Ist diese eine (illusionäre) Reaktion auf die Zumutungen der Moderne, auf die sich seinerzeit beschleunigende Gesellschaft? Gleichzeitig kann nicht übersehen werden, dass die Entwicklung und der Reichtum dieser Gesellschaft das künstlerische Wirken erst mit ermöglichen.

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Wilhelm Morgner: Im Paradies, 1913 Öl auf Malkarton auf Holz LVR-LandesMuseum Bonn © Foto Jürgen Vogel

Ist für einige das Paradies der Garten Eden, sind es für Marc seine Tiere, für die Maler der Brücke die Moritzburger Seen, ihre eigene Nacktheit und die der Modelle. Für wieder andere, wie etwa Pechstein und Nolde ist es die weit entfernte Südsee, die sie beide ja 1913/14 bereisen. Ab 1914 kommt es durch den ersten Weltkrieg im übertragenen Sinne zur Vertreibung aus dem Paradies, diese wird Motiv, ebenso wie die Apokalypse. Zu sehen sind z.B. die „Apokalyptischen Reiter“ von Franz Maria Jansen, die eindeutig die Züge von Militarismus und Kapitalismus tragen.

Diese Ausstellung wirkt zusammengefasst nicht so aus einem Guss, wie diejenigen zu Hermann Hesse oder Max Pechstein die auch in Stade zu sehen waren. Durch die Gegenüberstellung von Paradies-Motiven und die Darstellung von dessen Verlust, wenn nicht von Untergang allgemein, wird der Besucher eher produktiv verwirrt. Schwelgen in „schönen Bildern“ ist hier jedenfalls nicht bei allen gezeigten Motiven möglich. Die schönen Bilder wirken zwar im Kontrast zu den dunklen, apokalyptischen umso anmutiger, aber gleichzeitig doch auch weltfremd.

Für einen Besuch sind 60 bis 120 Minuten einzuplanen. Geöffnet noch bis 17. Mai. Eintritt 6 EUR. Kunsthaus Stade, Wasser West 7, Samstag/Sonntag 10-18 Uhr, Di, Do, Fr 10 bis 17 und Mi 10-19 Uhr. Leider nicht barrierefrei.

Katalog zur Ausstellung: Klara Drenker-Nagels: Das (verlorene) Paradies. Expressionistische Visionen zwischen Tradition und Moderne, Bonn 2014, ISBN 978-3-942423-04-5. In der Ausstellung 25 EUR.

Stade ist von Bremen mit dem Zug (Niedersachsenticket!) zwei Stunden entfernt. Das Kunsthaus ist dann nach zehn Minuten Weg durch die Fußgängerzone erreicht. Das Eintrittsticket gilt auch für den nur wenige Schritte weitergelegenen Schwedenspeicher, das erst 2011 völlig umgestaltete stadthistorische Museum. Die Geschichte von Stade und der Region Elbe-Weser ist dort sehr, ja fast schon zu modern aufbereitet. Inhaltlich geht es in diesem für Kinder gut geeigneten Museum viel und anschaulich um die Hanse, um Handel und die dafür notwendigen Netzwerke. Im obersten Stockwerk wurde soeben auch die Abteilung Vor- und Frühgeschichte neu eröffnet, die jetzt durch die vielen beleuchteten Glaskästen optisch wie ein Juwelierladen wirkt. Multimedia-Angebote, haptisch begreifbare Gegenstände, interaktive Stationen und überzeugende Visualisierungen sind auf allen drei Etagen zu finden.

Text: Bernd Hüttner