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#Buchtipp: Menschen aus der Landwirtschaft und ihre Tiere

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(C) Uschi Dreiucker/ pixelio.de

 19 Bäuerinnen und Bauern erzählen über ihr Vieh

„Tiere in der Landwirtschaft“. Kaum ein Thema ist bei vielen Menschen so brisant und nicht zuletzt dank der Medien emotional besetzt. Diese Aufregung ist aber nur ein Effekt des verschobenen, gleichwohl dominanten Bildes der Landwirtschaft in unserer Gesellschaft: Entweder werden die Bauern als naturnahe Genussmenschen idealisiert, oder als Giftmischer und Tierquäler diffamiert. Beide Bilder entsprechen nicht den Tatsachen.

Ulrike Siegel lässt 19 Tierhalter und Tierhalterinnen über ihr Leben und ihr Tun berichten. Sie beschreiben in autobiografischen Geschichten ihren täglichen Umgang mit Tieren. Bei allen, egal wie viele Tiere sie halten, stehen ökonomische Notwendigkeiten in Konkurrenz zu ihren ethischen Vorstellungen. Alle leben sie mit den Tieren, nicht nur von ihnen.

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(C) Annett B. / pixelio.de

Von Kleinbetrieb bis Biohof

Die Anzahl der auf den Höfen lebenden Tiere ist sehr unterschiedlich. Sie reicht von knapp hundert Milchkühen, über 800 Schweine bis zu 7.500, allerdings bei Tageslicht gehaltenen, Puten. Ebenso breit ist die Wirtschaftsweise, die vom Kleinbetrieb im Hochschwarzwald bis zum klassischen Schweinemast-Wachstumsbetrieb in Niedersachsen, vom Großbetrieb in Mecklenburg-Vorpommern bis zum Biobetrieb in Schleswig-Holstein reicht. Die sehr authentischen und meist auch persönlichen Artikel sind dementsprechend vielfältig. Alle Betriebe müssen sich jedoch mit dem Preisverfall und der mangelnden Bereitschaft der VerbraucherInnen, den notwendigen Preis zu entrichten, auseinandersetzen. Jede und jeder muss sich mit dem Ende jeden Tieres durch die Schlachtung beschäftigen, und fast alle Beiträge sprechen dieses Thema an. Allen ist das Tierwohl ein Anliegen, wenn auch aus unterschiedlichen Zielstellungen. Den einen primär aus ethischen Gründen, den anderen vorrangig aus betriebswirtschaftlichen („nur Tiere, die sich wohlfühlen, erbringen Höchstleistungen“). Alle verbringen sehr viel Zeit im Stall und brauchen die Tiere, wollen sie aber nicht missbrauchen. Alle leben, interessanterweise nahezu unabhängig vom Technisierungsgrad oder Tierart, mehr oder minder im Rhythmus, den ihre Tiere ihnen vorgeben.

Denken und Fühlen jenseits aller Klischees

Das Buch macht deutlich, dass in kleineren Betrieben nicht automatisch die besseren Bedingungen herrschen, ein offener Kaltluftstall mit 150 Plätzen ist für Rinder besser als lebenslange Haltung im niedrigen, muffigen Anbinde-Stall mit 20 Tieren. Selbstverständlich würden „Tierquäler“ in solch einem Buch nicht schreiben, insofern ist es nicht repräsentativ und will es auch nicht sein. Es gibt aber einen hervorragenden Einblick in einige Höfe und zeigt viel von der Situation, dem Denken und Fühlen von heutigen Bauern und Bäuerinnen, und das jenseits aller Klischees.

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Ulrike Siegel (Hrsg.): Der Bauer und das liebe Vieh. Menschen aus der Landwirtschaft erzählen von der Beziehung zu ihren Tieren, LV Buchverlag, Münster 2014, 189 Seiten, 14,95 EUR

Text: Bernd Hüttner