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#lebenswelt: Was das #neuland mit uns macht, bleibt Neuland

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Pure Fakten zum Leben in der digitalen Gesellschaft zeigt die Ausstellung „Mensch, wie geht´s?! Die digitale Gesellschaft“ im Haus der Wissenschaft (Eröffnung am 11. November). Aber wie sieht es mit der Wirkung der Neuen Medien auf den Menschen aus? Wo steht die Forschung? „Das ist mehr oder weniger Neuland“, sagt Psychoanalytikerin und Professorin Elfriede Löchel. Sie lehrt und forscht über Theoretische Psychoanalyse und Subjekttheorie und beschäftigt sich damit, was Facebook und andere Medien mit uns machen, beziehungsweise welche Bedeutung wir ihnen beimessen. Zum Thema „Was für einen Wert haben Likes für uns?“, hat Löchel selbst Studierende befragt.

Im Gespräch berichtet sie über den Stand der Forschung – und weiß jetzt mehr über „soziale Fellpflege“ und „Phubbing“.

Sie sagen einerseits verbinden soziale Medien uns. Zum Beispiel wenn Tochter oder Sohn ein Auslandssemester macht, kann sich die Familie über Skype sprechen. Macht diese orts- und zeitunabhängige Erreichbarkeit auf der anderen Seite nicht auch Stress?

Elfriede Löchel: Mich persönlich würde es enorm stressen, wenn ich immer zu jeder Zeit erreichbar sein müsste und ich möchte auch nicht immerzu vernetzt sein. Aber – Menschen erleben das sehr unterschiedlich. Genau dieser Aspekt ist es, der mich interessiert: „Wie erleben die Menschen die neuen Medien?“ und meine bisherigen Interviews mit Studenten zeigen, es gibt einige, die es sehr genießen, immerzu in Kontakt zu sein und andere, die sich dadurch sehr unter Druck gesetzt oder eingeengt fühlen. Gleichzeitig haben viele Menschen aber auch Angst, außen vor zu bleiben, wenn sie sich aus Facebook und Co. zurückziehen.

Sie haben in ihrem Vortrag von einem Studenten erzählt, der Facebook als „soziale Fellpflege“ versteht. Also als gegenseitigen digitalen Zuspruch, so wie Affen ihre Bindung durch Lausen der Mit-Affen vertiefen. Glauben Sie, das ist der eigentlich Reiz an sozialen Netzwerken?

Elfriede Löchel: Was heißt soziale Fellpflege? Fellpflege ist ja eigentlich ein Körperkontakt, der hautnah ist. Die Fellpflege über Medien ist ja sehr weit weg von der eigentlichen Bedeutung, körperliche Nähe herzustellen. Wir reden da ja über einen Tastenklick, ein paar Worte oder ein Foto. Aber trotzdem denke ich, dieser Austausch gibt vielen Menschen das Gefühl in Verbindung zu stehen,  statt einsam durch die Welt zu gehen.

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Phubbing: Was passiert mit unserem Ich zwischen analoger und digitaler Welt?

Immer häufiger lassen sich Menschen im Café beobachten. Sie unterhalten sich, aber wenn das Smartphone sich muckst, können sie den Reiz nicht unterdrücken im Gespräch die Nachricht im Handy abzurufen. Was macht das mit unseren sozialen Kontakten?

Elfriede Löchel: Dieses „Phubbing“ finde ich persönlich sehr unhöflich. Ich würde sagen, es ist ein Ausdruck dafür, wie sich die direkten Face-to-Face Begegnungen mit Freunden mit medialen Beziehungen vermischt. Also hier könnten wir die Frage stellen: Wo bin ich eigentlich (mit meinem Kopf), wer tanzt da gerade auf welcher Hochzeit? Was macht das mit unserem Ich, wenn ich im echten Leben und im Netz gleichzeitig unterwegs bin?

Glauben Sie wir bräuchten Regeln für den Umgang mit dem Smartphone? Einen Knigge etwa?

Elfriede Löchel: Nein. Ich glaube, dass wir gerade einen Hype erleben. Viele Anwendungen  sind noch ziemlich neu und in ein paar Jahren, wird  das für uns alles nicht mehr so aufregend sein. Vermutlich werden wir dann nicht mehr dauernd auf das Handy starren, wenn wir mit anderen Menschen zusammen sind.

Wir sind gespannt! Vielen Dank für das Gespräch.

„Mensch, wie geht’s?! Die digitale Gesellschaft“ – die Ausstellung im Haus der Wissenschaft wird am Dienstag, 11.11.2014 um 17.30 Uhr eröffnet und ist dann bis zum 17.Januar 2015 zu sehen. Mehr Infos auf www.hausderwissenschaft.de.

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Professorin und Psychoanalytikerin Elfried Löchel. © Janina Weinhold

Interview und Foto: Janina Weinhold, Banner: www.digital-ist.de