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#buchtipp: Meisterinnen in Kunst, Handwerk und Design – die Frauen am Bauhaus

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In der Zeit vor der Gründung des Bauhaus´ 1919 haben Frauen nur sehr beschränkten Zugang zu Ausbildungsinstitutionen im Bereich der Kunst. Dies hängt vor allem damit zusammen, dass „Kunstgewerbe“ ab- und ausgrenzend der weiblichen Sphäre zugeordnet wurde, während „die Kunst“ selbstverständlich den Männern vorbehalten bleiben sollte. Dennoch hatten Frauen an der weltweit ersten Hochschule für Gestaltung in Weimar sehr wohl Bedeutung und noch mehr Frauen etwas hätten bewegen können, wenn die Männer sie nicht behindert hätten. Ziel des lesenswerten Buches „Bauhaus-Frauen“ von Ulrike Müller ist nicht, eine Geschlechtergeschichte des Bauhauses zu schreiben, sondern Frauen, die am Bauhaus prägend wirkten und/oder nach ihrer Zeit am Bauhaus bekannt wurden, vorzustellen.

Weberei und Fotografie war Frauensache

Das Bauhaus beginnt mit einem nahezu ausgewogenen Geschlechterverhältnis was die Studierenden angeht. Für das Sommersemester 1919 schreiben sich 84 Frauen und 79 Männer zum Studium ein. Mit den Jahren sinkt die Anzahl und der Anteil der Frauen stetig ab: Im Wintersemester 1924/25 sind 34 Frauen und 68 Männer eingeschrieben. Hinzu kommt, dass die Frauen sich vor allem in bestimmten Werkstätten konzentrieren: Die Weberei, die dem weiblich konnotierten Kunsthandwerk zugeordnet ist (und heute Textildesign heißen würde) gilt intern als „Frauenklasse“ und auch die Fotografie (obwohl erst 1929 in Dessau eine Fotoklasse eingerichtet wird) gilt als Domäne der Frauen. Viele der Meister – Müller überliefert frauenfeindliche Zitate – bevorzugen Männer und verhindern, dass zu viele Frauen den Männern die begehrten Werkstattplätze wegnehmen. In der gesamten Geschichte des Bauhauses sind in den Jahren in Weimar (insgesamt 45 Lehrkräfte) und Dessau (34 Personen) von den Lehrkräften nur jeweils sechs Frauen, und da sind Lehrbeauftragte schon mit eingerechnet.

Bauhaus-Frauen von Getrud Grunow, über Marianne Brandt bis Lucia Moholy-Nagy

Gertrud Grunow (1870-1944) ist bis 1925 am Bauhaus und unterrichtet bis 1924 im Vorkurs. Gunta Stölzl wird 1927 (!) erste weibliche Werkstattleiterin, in der schon erwähnten Weberei. Anni Albers (1899-1994) übernimmt 1931 die Weberei. Sie ist die Frau von Josef Albers und macht nach ihrer Emigration in die USA dort von allen Bauhausfrauen die größte Karriere. Marianne Brandt (1893-1983) wirkt als Gestalterin von Porzellan und Metall, Lou Scheper-Berkenkamp (1901-1976) arbeitet in der Wandmalerei. Von Lucia Moholy-Nagy (1894-1989) stammen die meisten der Fotografien, die heute die Ikonografie des Bauhaus´ mitprägen. Moholy wirkt auch entscheidend an der Redaktion der 14 Titel umfassenden Buchreihe des Bauhaus´ mit, ohne dass dies freilich in den Büchern erwähnt wird. Lilly Reich nimmt 1932 eine leitende Position am Bauhaus ein – und macht zusammen mit Kandinsky nach 1933 zweifelhafte Vorschläge, wie das Bauhaus auch im Nationalsozialismus weiterarbeiten kann. Die Frauen arbeiten durchweg zu schlechteren formalen Bedingungen als die Männer. Sechs der Bauhaus-Frauen werden im KZ ermordet, darunter die vielseitig tätige Friedl Dicker oder die Textildesignerin Otti Berger.

Das Bauhaus war aus heutiger Sicht durchaus eine patriarchale Einrichtung. Gleichzeitig war das Bauhaus die weltweit erste Hochschule für Gestaltung und eine von vielen politischen Spektren angefeindete Institution der künstlerischen Moderne. Eine Einrichtung, die damals (und heute?) ohne Beispiel war und Freiräume bot.

Ulrike Müller: Bauhaus-Frauen. Meisterinnen in Kunst, Handwerk und Design, Insel Verlag bei Suhrkamp, Berlin 2014, 160 Seiten, 12,95 EUR

Link zum hilfreichen Personenatlas auf der Website bauhaus-online (gemeinsam verantwortet von Bauhaus-Archiv Berlin / Museum für Gestaltung, Klassik Stiftung Weimar und Stiftung Bauhaus Dessau). Dieser enthält z.B. keinen Eintrag zu Friedl Dicker, nennt aber noch mehr Frauen als Müller in ihrem Buch.

Link zum Eintrag Bauhaus-Frauen auf www.fembio.de (Frauen-Biographieforschung e.V.).