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Wie war´s? .. beim Fotomarathon Hamburg

dieGlucke fragt immer mal wieder nach bei Menschen, die etwas ausprobieren, etwas anders machen oder etwas Überraschendes erleben. Dieses Mal lies sich die Bremerin Kerstin Graf am ersten Augustwochenende auf das Abenteuer Fotomarathon ein, berichtet darüber und zeigt uns einige ihrer Schnappschüsse. 

Anstrengend war´s, aber auch spannend, fordernd, trüb, zeitweise nass, dann wieder sonnig, nervenaufreibend, farbenreich, eindrucksvoll, hektisch, lecker, harmonisch, lustig, unglaublich, … kurz gesagt: ein Wechselbad der Gefühle. Ich habe Ecken von Hamburg entdeckt, die ich ohne die Teilnahme beim Foto-Marathon nie gesehen hätte. Mein Kopf glühte nach Abgabe meiner Speicherkarte noch gefühlte fünf Stunden nach, aber das Glücksgefühl, das sich beim späten Abendessen einstellte, hat alle Mühen vergessen lassen. Das muss man erlebt haben!

24 Fotos innerhalb von zwölf Stunden zum vorgegebenen Thema

Wer bei dem Begriff ‚Marathon‘ zuerst an eine sportliche Laufveranstaltung denkt, liegt in meinem Fall gar nicht so falsch. Die Strecke, die ich zu Fuß zurückgelegt habe, reicht wahrscheinlich nicht an die üblichen 42 Kilometer heran, die man während eines Laufmarathons bewältigen muss; gefühlt waren es aber annähernd so viele. Der Fokus dieser Veranstaltung liegt natürlich auf dem Wortteil ‚Foto‘, denn Ziel des Marathons ist es innerhalb von zwölf Stunden eine nach Themenvorgabe stimmige Serie von 24 Fotos aufzunehmen. Treffender als der Veranstalter kann man es an dieser Stelle wohl nicht beschreiben: „Gefragt sind bei diesem sportlichen Fotoprojekt neben Inspiration und Kreativität bei der Motivjagd, der individuelle fotografische Ausdruck und eine hohe Dosis an urbanem Durchhaltevermögen. Nur dann kann der Wettkampf gegen die Zeit, die Mitstreiter und andere unkalkulierbare Hindernisse gewonnen werden.“

Das Motto: Im Wandel der Zeit

Los ging es an der Großen Elbstraße um 10.00 Uhr. Etwa 180 Fotobegeisterte starteten hier zum Fotomarathon: routinierte Fotogänger, die man gleich am praktischen Einbeinstativ erkennen konnte, freudig aufgeregte Hobbyfotografen, zu denen ich auch mich selbst zählte und Profifotografen, die mit sagenhaft umfassender Ausrüstung unterwegs sein würden, neben jungen Trendknipsern und alten Fotohasen. Ich fühlte mich gut. 24 Bilder in zwölf Stunden? Das mach‘ ich doch mit links! Und nebenbei ein bisschen das sonnige Hamburg erkunden. Was könnte schöner sein? Noch während ich das Themenblatt studierte überkam es mich: das Themen-Fieber. Es stieg langsam in mir auf, waberte durch meine Gehirnwindungen und hüllte den Bereich, der für das kreative Denken zuständig sein sollte, in undurchdringlichen Dunst. Der erste klare Gedanke, den ich wieder fassen konnte: Kaffee! Ein guter Plan: erst einmal einen Kaffee und dann in Ruhe über die Themen 1 bis 8 brüten: 1. Alles wird gut 2. Es war einmal 3. Altes Eisen 4. Aufbruch 5. Fortschritt 6. Déjà-vu 7. Momentaufnahme 8. Im Fluss. Da saß ich nun und klammerte mich an meinen Kaffeepappbecher. ‚Alles wird gut‘ war mit dem Hinweis versehen, dass dieses erste Foto meine Startnummer zeigen müsse, die 92. Um mich herum waren viele schon voll zu Gange, hatten schon ein gutes Konzept, eine gute Idee, ein gutes erstes Foto. Am Nachbartisch packte ein Mitstreiter seine Skatkarten aus, die er wohl eigens zur Inszenierung seines Startbilds mitgebracht hatte. Ich hatte einen Kuli in der Tasche. Auf meinem Pappbecher rumkauend, dachte ich nur: Früher gab’s Kaffee noch in Tassen. 😉 Die erste Fotoidee war umgesetzt und ein Konzept für die weiteren Fotos entwickelt.

 

Langsam wird´s hektisch

Ich wollte jedem Bild mittels Beschriftung, Zeichnung, Bastelei, … eine persönliche, individuelle Note verleihen und einen Teil meiner Persönlichkeit einfließen lassen. Ein Blick auf die Uhr zeigte, die erste Stunde war vorüber. Eine Stunde für ein Foto? Unglaublich! Ein weiterer Blick auf den Themenzettel verriet, dass ich mich zwischen 13.30 Uhr und 14.30 Uhr bei der ersten Zwischenstation des Marathons einzufinden hätte, um mir dort meinen Stempel und das nächste Blatt mit weiteren acht Unterthemen zu holen. Für die nächsten sieben Fotos hatte ich also etwa 2,5 Stunden Zeit. Mittlerweile war uns der Wettergott auch nicht mehr so wohlgesonnen, bei sommerlich warmen Regenschauern kritzelte, schrieb, zeichnete, improvisierte und fotografierte ich meine folgenden fünf Fotos unter freiem Himmel. Es stellte sich heraus, dass es gar nicht so einfach war, die strikt vorgegebene Reihenfolge einzuhalten. Hatte man sich für ein Foto entschieden und bereits das Folgethema im Kasten, gab es kein Zurück mehr. Am Ende des Tages durften nur 24 Fotos in exakter Themenreihenfolge auf der Speicherkarte sein.

Die nächsten acht Aufgaben

Bei der Zwischenstation gegen 14.00 Uhr fehlten mir noch ‚Momentaufnahme‘ und ‚Im Fluss‘, für die ich aber wenigstens schon Ideen hatte. Ein bisschen gehetzt, hungrig und durstig nahm ich Stempel und Themenzettel Nr. 2 in Empfang. Bei vegetarischem Flammkuchen und sehr leckerer Limette-Minz-Limonade überflog ich die neuen Themen: 9. Neuanfang 10. Evolution 11. Generationenwechsel 12. Widerstand 13. Zeitgeist 14. Trend 15. Tradition 16. Stillstand.  Bis zum nächsten Zwischenstopp, bei dem wir spätestens um 18.30 Uhr den letzten Zettel und Stempel entgegennehmen sollten, blieben knapp vier Stunden. An der Alster empfing uns mit lautem Getöse die Parade des Christopher Street Days. Gerne hätte ich ein paar Schnappschüsse von dem bunten Treiben gemacht, aber lange konnten wir nicht verweilen, die Motivjagd und mein mir selbst auferlegtes Konzept mit dazu passender Idee für Foto Nr. 8 trieben mich voran. ‚Neuanfang‘ war schnell abgehakt, an der ‚Evolution‘ knabberte ich besonders lange. Ich hatte mein Motiv für das Folgethema ‚Generationenwechsel‘ bereits gefunden, konnte dies aber noch nicht ablichten, weil die ‚Evolution‘ noch fehlte. Inzwischen waren wir seit gut sieben Stunden unterwegs. Irgendwann hatte ich das Ding dann doch im Kasten. Motive, wie ‚Widerstand‘ und ‚Zeitgeist‘ fanden sich dann erfreulicherweise am Wegesrand als wir beschlossen, den schönen Weg entlang der Alster zu verlassen zugunsten eines eventuell motivreicheren durch die Straßen Hamburgs.

Um rechtzeitig beim nächsten Zwischenstopp einzutreffen, nahmen wir die U-Bahn. Wie schon beim ersten Treffpunkt hatte ich noch zwei unbearbeitete Themenpunkte offen. Das bedeutete: zehn Fotos in ca. 3,5 Stunden. Nicht nur die schwindende Zeit saß mir im Nacken, auch das bald schwindende Sonnenlicht brachte mich in Bedrängnis. Die letzten acht Aufgaben: 17. 5 vor 12 18. Revolution 19. Rauf & Runter 20. Perspektive 21. Zeitlos 22. Entschleunigung 23. Für die Ewigkeit 24. Zeit heilt alle Wunden Der 17. Themenpunkt traf zu 100% meine Gefühlslage. Es war 5 vor 12. Ein Anflug von Panik. Der Tag war fast vorüber. Die Stunden nur so verflogen. Ich rechnete nach. Seit wir kurz nach 9.00 Uhr morgens unser Hotel verlassen hatten, um uns zum Startpunkt des Fotomarathons zu begeben, waren 9,5 Stunden vergangen, in denen wir nur kurze Sitzpausen eingelegt hatten, getrieben von der Jagd nach DEM passenden Motiv. Und es fehlte immer noch die ‚Tradition‘. Dem Himmel sei Dank fiel mein Blick auf den Bierdeckel vor mir. Ich hatte sie in Form eines Bier trinkenden Mönchs und dem Hinweis auf das bayerische Reinheitsgebot von 1516 gefunden – was mich als Wahlbremerin mit bayerischen Wurzeln besonders beglückte. Schnell zeichnete ich noch für ‚Revolution‘ Che Guevara auf die Rückseite eines Themenzettels, das war das erste Bild, das ich bei dem Begriff ‚Revolution‘ vor Augen hatte, und das zu meinem Gesamtkonzept passte. Mit der Abendsonne, die alles in goldenes Licht tauchte, kam auch wieder Leben in meine Fotografie. Das Themen-Fieber war einer körperlichen Erschöpfung gewichen, das Fleisch war müde, der Geist aber hellwach. Ich zeichnete, skribbelte und knipste getrieben vom Restlicht.

Als wir pünktlich um 21.30 Uhr im Ziel eintrudelten, hatte ich eine Serie von 24 Fotos auf der Speicherkarte. Erschöpft aber glücklich übergab ich diese der Fotomarathon-Crew, die sich die Fotodaten auf den Rechner zogen und erhielt im Gegenzug meine Urkunde. Geschafft!

Copyright alle Fotos: © Kerstin Graf / kerstin-graf.com

Zum Hintergrund:

Die Fotoserien, ausbelichtet auf Fotostreifen, werden von einer fünfköpfigen, unabhängigen Jury aus namhaften Fotografinnen, Fotografen und Fotojournalisten gesichtet, ausgewertet und prämiert. Am 14. (13 – 21 Uhr) und 15. ( 11 – 17 Uhr) September findet dann eine Ausstellung aller Fotoserien in der Fabrik der Künste, Kreuzbrook 10/12, in Hamburg statt. Dort werden am Samstagabend die Sieger des Fotomarathons bekannt gegeben, für den Erstplatzierten winkt eine einwöchige Fotoreise auf die Insel Rügen.

Links zum Thema:

alle Fotos von Kerstin Graf vom Fotomarathon: www.flickr.com/photos/paintpepper/sets/72157634925853121/

Fotomarathon Hamburg: www.fotomarathon-hh.de

Fotomarathon Weltweit: www.fotomarathon.de/fotomarathon/fotomarathon-weltweit/

7 Kommentare

  1. Pingback: #Fotomarathon: Bremen im Fokus | glucke MAGAZIN

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