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DieKreative: Katja Kullmann, Teil II

Katja Kullmann ist eine charismatische Journalistin und Autorin, die im Leben als Kreative schon Höhen (2002 mit ihrem Erstling „Generation Ally“), aber auch Tiefen erlebt hat, worüber sie in ihrem Buch „Echtleben“ berichtet. dieGlucke konnte mit Katja Kullmann im Palast der Produktion sprechen, nachdem sie bei der Veranstaltung über „Selbstsorge und Echtleben“ aus ihrem gleichnamigen Buch gelesen hatte. Angeregt durch die Diskussion über die Neigung der Menschen, sich egal ob als Kreative oder Angestellte, durch ihre Sehnsucht nach Anerkennung tendentiell selbst auszubeuten, beantwortete die Autorin einige Fragen ungewöhnlich ausführlich und druckreif formuliert. Zum Kürzen viel zu schade, findet dieGlucke und veröffentlicht deshalb das Interview in drei Teilen.

Heute Teil II: Über Solidarprinzip und ProQuote

3. Im Moment läuft es sehr gut für Dich. Das kann in unserer, der Kreativ-Branche sehr schnell anders sein. Wie baust Du vor? Wie ist Dein Rat für andere, sich aufzustellen? 

Ich halte sehr viel vom Solidarprinzip, und zwar ganz praktisch. Seit meiner Volontärinnenzeit, seit den 90er Jahren, bin ich in einer Art Gewerkschaft, im Deutschen Journalisten-Verband. Und seit  gut einem Jahr bin ich auch Mitglied bei Freischreiber, einem Berufsverband freier Schreiber, die für fairere Honorare kämpfen (www.freischreiber.de). Und ich rate auch anderen Freien, sich solchen Gruppen anzuschließen. Zum einen wird dort wirklich ,Politik‘ gemacht, es geht tatsächlich oft um sehr konkrete Arbeitsbedingungen, für die gekämpft wird – zum anderen tut es auch einfach gut, andere Menschen zu treffen, denen es ähnlich geht wie einem selbst. Man spürt da sehr schnell: Okay, es ist nicht zwingend mein ,persönliches Versagen‘, wenn ich kaum über die Runden komme, es gibt strukturelle Probleme, gegen die wir angehen müssen. Aktuell ist natürlich dieser irre aufgeladene Streit über das Urheberrecht ein großes Thema. Genau jetzt, wo es darum geht, wie eine freie Arbeit etwa als Grafikerin oder Texterin, Komponistin oder Fotografin künftig entlohnt werden könnte, wäre es dringend nötig, dass die freien Urheber, die bislang oft von großen Konzernen abhängen, sich eine Strategie überlegen: Gäbe es auch andere Vertriebs- und Honorar-Modelle für unsere Arbeit? Ich warne davor, diese Fragen den Show- und Schein-Politikern der Piraten oder den Großen wie Google oder Amazon zu überlassen.

4. Zurzeit gibt es Aktionen wie proQuote, die einen höheren Anteil an Frauen in den Entscheidungsebenen der Medien fordern, dieGlucke hat darüber berichtet. Was hältst Du davon? Kann solch eine Plattform eine neue Bewegung für mehr Mitbestimmung der Frauen und damit auch bessere Arbeitsbedingungen/mehr Anerkennung/vernünftige Bezahlung kreieren? Oder sind die Strukturen so, dass selbst Frauen in Führungsebenen hier nicht viel bewirken können, so wie Du es selbst erfahren musstest?

Oh, das ist natürlich ein Riesenfeld. Fest steht: Ich gehöre zu den Anfangs-Unterzeichnerinnen von ProQuote (http://www.pro-quote.de/unterzeichnerinnen/katja-kullmann/) und habe auch in meinem Blog auf die Aktion hingewiesen (http://www.katjakullmann.de/2012/02/27/proquote-journalistinnen-wollen-30-prozent-der-chefsessel/). Klar ist auch: Frauen sind nicht die ,besseren Menschen‘, und ich halte überhaupt nichts davon, davon zu träumen, dass die Welt zwingend eine gerechtere oder schönere wäre, wenn Frauen das Sagen hätten. Das ist letztlich biologistischer Quatsch. Da bin ich ganz klar eine Radikalfeministin im Sinne Simone de Beauvoirs. Ich sage: Frauen haben sowohl das Recht, als auch die Fähigkeit, sich genauso schweinisch zu benehmen wie manche Männer. Bei der Quoten-Aktion geht es allein um die Prinzipien Macht und Gerechtigkeit, um Fairness in Sachen ,Möglichkeitsspielräume‘. Und da haben wir es sehr eindeutig mit einem Ungleichgewicht zu tun, gerade im Journalismus. Allgemein liegt hier der Frauenteil bei etwa 50 Prozent – in den höchsten Entscheidungsgremien aber  bei um die zwei Prozent. Da ist etwas faul. Und selbst die OECD und die EU-Gremien weisen ja immer wieder darauf hin, dass die Beteiligung von Frauen an politischen und wirtschaftlichen Schalthebeln in Deutschland erschreckend niedrig ist, gerade im Vergleich zu anderen Ländern. Also: Da muss endlich Parität her. Die neueste Argumentation der Maskulisten, der ,Männer-Rechtler‘, die die patriarchalischen Strukturen mit Zähnen und Klauen verteidigen, lautet: ,Liebe Frauen, warum wollt Ihr bei diesen schmutzigen Spielen denn überhaupt mitspielen? Seid doch froh, dass ihr diesen Stress nicht habt.‘ Gönnerhaftes Geschwätz derjenigen, die Angst um ihre Pfründe haben.

Hier geht´s zu Teil I des Interviews.