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#urbanjungle: Glückliche Hühner in der Stadt

Unsere Hühner in der Stadt leben im blau-weiß-gestrichenen Stall auf Rädern. Foto: Heike Mühldorfer

„Jeden Tag ein Ei, und sonntags auch mal zwei“, so singen die Comedian Harmonists. Auch in unserem Garten kümmern sich neuerdings vier glückliche Hühner darum, dass unsere Familie mit Eiern versorgt wird. Warum das so ist und was es alles zu bedenken, bauen und organisieren gab, bis wir das erste Ei aus dem Nest holen konnten und wie das Leben mit Huhn aussieht – darüber berichte ich in einer kleinen, unregelmäßigen Serie „Hühner in der Stadt“. Teil I: Ein Heim für die Hühner.

Hühner in der Stadt – glücklich und artgerecht

Im Schnitt liegen jede Woche zwei Sechserkartons Eier in unserem Einkaufswagen, das macht 3 Eier pro Familienmitglied und Woche. hochgerechnet aufs Jahr sind das etwa 160 Eier plus kleine Jahrespeaks durch Ostern oder backaktive Zeiten an Geburtstagen. Insgesamt liegt das unter dem deutschen Schnitt von 230 Eiern pro Person.

Unsere Familie kauft schon seit vielen Jahren hauptsächlich Bio-Eier aus der Region und aktuell aus der Küken schonenden Bruderhahn-Initiative (dazu mehr unten). Dennoch brüten wir schon länger über der Idee, unseren großen, (ursprünglichen) Selbstversorger-Garten in der Bremer Neustadt zum Heim für glückliche Hühner in der Stadt zu machen. Neben den zu erwartenden Eiern sollten die Hühner mit ihrem Picken und Scharren gleichzeitig Rasen und Beetränder von Giersch befreien. Und bis zu ihrem natürlichen Tod unter uns weilen dürfen.

12 Milliarden Eier aus deutscher Produktion

Das ist heute ganz und gar nicht selbstverständlich. Damit alle Deutschen mit Frühstücksei, Backwerk und vorgefertigtem Essen aus Gastro oder Supermarkt versorgt werden, legen Jahr für Jahr 47,7 Millionen Legehennen knapp 12 Milliarden Eier (Zahl aus dem Jahr 2016). Zwar ist Käfighaltung mittlerweile ein Auslaufmodell: Mehr als 63 Prozent der Hühner leben in so genannter Bodenhaltung und etwa 10 Prozent sogar als Bio-Huhn. Dennoch ist der Trend zur Massentierhaltung ungebrochen (Quelle: Destatis.de).

Das hat mit idyllischer Hühnerhaltung auf dem Bauernhof gar nichts zu tun, sondern bedeutet Hühnerfarmen mit mehr als 200.000 Tieren, minimalem Platzangebot je Huhn (etwas mehr bei den Bio-Hühnern) und kaum artgerechtem Umfeld. Hühner brauchenn Wiesen zum  Scharren  und Büsche zum Verstecken. Die auf Hochleistung gezüchteten Hühner legen nach etwa einem Jahr schon nicht mehr genügend Eier und werden geschlachtet und durch ein junges Huhn ersetzt. Für jede Legehenne wird außerdem im Schnitt ein männliches Küken getötet, da es sich wirtschaftlich nicht rechnet, sie zu mästen. Für Brat- und Suppenhühner werden spezielle Rassen (über-) züchtet.

Huhn Marianne ist schon ganz zutraulich und pickt die Körner aus der Hand. Foto: Heike Mühldorfer

Junge Hühner zum Einstieg

Als Hühnerhaltungs-Newbies mit Hang zum Kuschelhuhn wollten wir für den Einstieg zutrauliche, junge Hühner in der Stadt halten, die sich gut unterscheiden lassen und uns als Herde akzeptieren sollten. Wie viele Eier sie legen, war nicht so wichtig. Der Fachmann riet uns dann zu Marans-Hühnern, einer robusten, alten Landhennen-Rasse aus Frankreich. Sie sind neugierig, etwas scheu und manchmal schreckhaft (und flattern höher als gedacht!). Sie sind hübsch und wir erkennen jedes einzelne Huhn dank der unterschiedlichen Färbung.

Doch bevor die Junghühner Marianne, Hildegard, Rosi und Frida samt Hahn Karl am Pfingstmontag 2017 in unserem Garten einziehen konnten, musste aber erst einmal der passende Stall restauriert und ein Auslaufgehege gebaut werden. Das kleine ramponierte Hühner-Häuschen auf Rädern war uns von einem alten Hühnerbaron geschenkt worden und sollte künftig vier bis fünf Hühner beherbergen. Die Räder sind wichtig, weil der Stall damit mobil ist und mit den Hühnern durch den ganzen Garten ziehen kann. Auch der dazugehörige Auslauf soll deshalb leicht umzusetzen sein.

Hühnerstall: Luxusheim in Blau-Weiß

Neue Bretter und frische Farbe machen aus dem unansehnlichen Mini-Stall ein hübsches Luxusressort, das in Blau-Weiß an Urlaub in Griechenland erinnert. Doch bevor die Hühner einziehen können, mussten innen noch wichtige Bauteile ergänzt werden: eine Stange zum Sitzen und Schlafen mit dem dazugehörigen Kotbrett darunter – so konstruiert, dass es einfach herausgenommen und gereinigt werden kann. Ein kleine Treppe zum Hochklettern. Und eine halb geschlossen Kiste mit Stroh als gemütliches Nest. Dazu noch Futtertrog und Wasserschale. Für den Auslauf haben wir 25 m langes Spezialnetz mit Stangen online bestellt und mit vorhandenem Drahtgitter ergänzt. Schon nach ein paar Tagen zieht etwas High-Tech in den Stall: Ein Mini-Motor öffnet und schließt die Hühnerklappe automatisch – und zwar so, dass Karl erst um 7.30 Uhr die Nachbarn mit seinem Krähen erfreut.

Übrigens: Marianne pickt uns schon aus der Hand. Und tatsächlich liegt jeden Tag ein Ei im Nest (insgesamt!), außer sonntags, da gibt es eine Eipause. Die Eier sind etwas kleiner als die üblichen L-Eier vom Bioladen, aber wir wissen genau, wo sie herkommen. Ein gutes Gefühl!

Auch eine Alternative: Bruderhahninitiative

Für alle, die sich keine eigenen Hühner halten können, aber trotzdem ein gutes Gewissen beim Eieressen haben wollen: Seit 2012 gibt es die Bruderhahn-Initiative. 30 Hühnerproduzenten haben sich dafür entschieden, – wie früher üblich – die weiblichen Küken als Legehennen aufzuziehen und die männlichen Küken zu mästen. Da sie im Vergleich zu den speziell gezüchteten Masthähnchen weniger (schnell) Muskelfleisch ansetzen, kostet jedes Ei vier Cent mehr, dieser Aufpreis gleicht den Minderertrag der Hähnchen aus. Und es wird kein männliches Küken sinnlos getötet. Auch in Bremen gibt es Eier aus der Bruderhahn-Initiative in fast 30 Läden. Welche das sind, findet ihr auf der Homepage auf www.bruderhahn.de.

Text und Fotos: Heike Mühldorfer

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