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kulturAktuell: Großmutters Geschichten von Elianna Renner

Eine faszinierende und lebendige Auseinandersetzung mit Geschichte und Geschichten bietet die erste, große Einzelausstellung der Schweizer Künstlerin Eliana Renner mit Bobe Mayses – Großmutters Geschichten – in der Städtischen Galerie Bremen. Mit einer Mischung aus Performance, Audio-Installationen, Fotografie und Film greift die in Bremen lebende Züricherin Themen ihrer jüdischen Familienbiographie auf, erzählt von der Verfolgung durch die Nazis, von Traditionen, von Begegnungen, verknüpft dabei in ihren Installationen immer das Geschehene mit der Gegenwart auf die ihre eigene, mal hintergründig komische, mal ironische und manchmal provokante Art. Sie richtet in ihren Arbeiten oft den Blick auf die Geschichte von Frauen, ob in ihrem persönlichen Umfeld oder aus dem öffentlichen Leben. dieGlucke meint: Unbedingt sehenswert!

Von Cheerleadern und 84,4 Kilometern Wolle

In ihrer jüngsten Arbeit lässt Elianna Renner US-amerikanische Cheerleader die Namen berühmter Schriftstellerinnen, Künstlerinnen und Frauenrechtlerinnen skandieren, um die oft vergessenen Kämpferinnen für eine gerechtere Welt mit einem kraftvollen „Battle“ aus der Vergessenheit zu holen – gerade mit Hilfe einer Sportart, die in der allgemeinen Wahrnehmung die klassische Rollenverteilung zementiert und Mädchen als Beiwerk zu männlichen Supersportlern inszeniert. Weiter in ihre eigene Familiengeschichte transportieren uns die Wollpullis, die Elianna Renner in ihrer Arbeit 84,4 aufribbelt, um den Weg von ihrer Haustür in Bremen bis zur Gedenkstätte Bergen-Belsen in ebenso vielen Kilometern Entfernung zu verbinden. (Und die sie der Videoinstallation mit autobiografischen Hörstücken ergänzt.)

Ein Eintausendsechshundertfünfundachtzigstel

Oder die Tragödie der Großmutter, die 1944 als eine von 1685 Menschen aus Budapest als Teil des Kastzner-Transport über Bergen-Belsen in die Schweiz überführt worden war, wo sie ihr Leben lang als einzige Holocaust-Überlebende ihrer Familie über ihre Erlebnisse schwieg. Die von der Künstlerin eingeholten Grüße und Fotos von Budapester Nachbarn  ihrer Generation kommentiert die alte Dame dann doch in der Installation Ein Eintausendsechshundertfünfundachtzigstel. In weiteren vier Installationen – darunter auch die Arbeit, für die Elianna Renner 2009 den Bremer Förderpreis für Bildende Kunst erhielt–, verwebt die Künstlerin persönliche Erinnerungen und Perspektiven, zeigt ihre subjektive, eindringliche Sicht auf Gewesenes und lässt dabei immer genug Raum für eigene Interpretationen des Erinnerns.

Ein umfangreicher Katalog erläutert die Arbeit von Elianna Renner und dokumentiert sie mit wunderbaren Fotografien. Hier geht´s zur Online-Version, das Original gibt es in der Städtischen Galerie am Buntentorsteinweg 112.

Die Städtische Galerie ist, außer montags, täglich ab 12 Uhr geöffnet. Immer sonntags um 15.00  Uhr führt die Bremer Kunsthistorikerin Carla Habel durch die Ausstellung, die bis 17. November verlängert wurde. Nächste Führungen am 28. Oktober, 4. und 11. November 2012.

 

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