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PalastderProduktion: Auf der Kämmerei

Es sind die Zwischentöne, die das harte Leben deutlich machen. Auf großen Tafeln kommen fünf ehemalige Beschäftigte der Bremer Wollkämmerei zu Wort, sie teilen ihre Erinnerungen ans Leben auf der Kämmerei: Als sehr junge Menschen nehmen die zumeist als Arbeitsmigranten aus ganz Europa in Blumenthal gestrandeten Menschen ihre schlecht bezahlte und eintönige Arbeit auf. Die junge Mutter Hanna M. arbeitet Mitte der 1950er Jahre an sechs langen Tagen die Woche als Nadelsetzerin, Arbeitsschutz ist noch kein Thema, oft verletzt sie sich in der Nadelbude, sie berichtet von lauten Maschinen und der lauten Musik, die unterhalten soll, aber den Lärmpegel noch anhebt. Oder Paolo R.: Er kommt als 14-Jähriger aus Italien nach Blumenthal, spricht kein Deutsch, wird ausgegrenzt, dennoch schafft er es, als Schlosser in der Wollkämmerei seinen Lebensunterhalt zu verdienen, aber verwurzelt bleibt er in Italien. Aus den Tafeln wird auch deutlich: Die Arbeitswelt ist stark hierarchisch organisiert, die Meister führen ein strenges Regiment über die Arbeiterinnen und Arbeiter. Einziger Luxus  ist das wöchentliche kostenlose Bad, wenn es denn in den straffen Schichtplan passt.

Biographische Interviews und Fotografien der Beschäftigten

Historikerin Katrin Schoßmeier hat mit ehemaligen Beschäftigten gesprochen, hat sich berichten lassen, wie sie sich an ihre Zeit bei der Bremer Wollkämmerei erinnern, stellt den soziopolitischen Kontext zur Industrialisierung her. Für den Stadtteilkulturverein DOKU Blumenthal konnte sie zusammen mit Bühnenbildner Rolan Khayat die Ausstellung realisieren. Zwei Schattenfiguren stehen stellvertretend für die Arbeiterinnen und Arbeiter, großformatige Fotografien aus den 1950ern und früher zeigen die Arbeiterschaft an den Maschinen, aber auch in der Freizeit, beim Schlittschuhlaufen oder beim Schichtwechsel auf Rädern. Die Bilder belegen die Dimensionen der Wollkämmerei: Bis zu 5.000 Menschen arbeiteten zur Blütezeit für die Wollkämmerei, 150 waren es zuletzt, bevor die BWK „abgewickelt“ wurde. Für die Ausstellung hat die Historikerin auch die Werkschroniken durchforstet und mit den Aussagen aus biografischen Interviews ergänzt, weitere Interviews werden folgen.

Lebenswelt in der Kunst aufgegriffen

Das öde und erschöpfende Arbeitsleben in der Wollkämmerei findet auch in einigen  Kunst-Werken im Palast der Produktion ihren Widerhall: Die Blumenthaler Künstlerin Ulla Deetz lässt in ihrer Woll-Installation die Arbeitswelt aufleben. Und auch die Norwegerin Anne Thrine Jackwitz symbolisiert in der Gemeinschaftsarbeit der Künstlerinnengruppe o.r.t. die Eintönigkeit und den anstrengenden Arbeitsalltag über meterlang gehäkelte Schnüre, dieselbe monotone, wiederkehrende Handbewegung beim Luftmaschenschlagen wie in der Nadelbude. Katrin Schoßmeier freut sich darüber, dass die Aspekte ihrer Ausstellung sich in den Kunst-Werken wiederfinden.

Die Ausstellung der DOKU Blumenthal ist wie auch die beiden anderen Ausstellungen mit historischem Bezug – des Heimatvereins Blumenthal und des Förderkreises Kämmereimuseum – auf der ersten Etage der ehemaligen Wollkämmerei täglich von 12 bis 18 Uhr zu besichtigen. Die Künstlerarbeiten sind am kommenden Wochenende bei der Produktschau im Palast der Produktion zwischn 12 und 22 Uhr zu entdecken.