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dieKreative: Katja Kullmann, Interview Teil III

Katja Kullmann ist eine charismatische Journalistin und Autorin, die im Leben als Kreative schon Höhen (mit ihrem Erstling „Generation Ally“), aber auch Tiefen erlebt hat, worüber sie in ihrem Buch „Echtleben“ berichtet. dieGlucke konnte mit Katja Kullmann im Palast der Produktion sprechen, nachdem sie bei der Veranstaltung über „Selbstsorge und Echtleben“ aus ihrem gleichnamigen Buch gelesen hatte. Angeregt durch die Diskussion über die Neigung der Menschen, sich egal ob als Kreative oder Angestellte, durch ihre Sehnsucht nach Anerkennung tendentiell selbst auszubeuten, beantwortete die Autorin einige Fragen ungewöhnlich ausführlich und druckreif formuliert. Zum Kürzen viel zu schade, findet dieGlucke und veröffentlicht deshalb das Interview in drei Teilen. Hier Teil III über Grundeinkommen und Optimismus.

4. Du hattest das bedingungslose Grundeinkommen (BGE) als „interessante Lösung“ für das Dilemma benannt. Worin liegen die Chancen? Bitte sag mir zwei, drei Argumente warum das helfen könnte – vor allem in Bezug auf Authentizität.  

Fakt ist, dass die Hartz-Gesetze ein einzigartiges Paradoxon geschaffen haben. Einerseits herrscht der gesamtgesellschaftliche Imperativ: Sei Deines Glückes Schmied, sei Dein eigener Unternehmer, gehe Dein Leben irgendwie ganzheitlich gemanaged an. Andererseits ist man, wenn man z.B. als prekärer Freiberufler mal für eine Zeit auf Hartz zurückgreifen muss, zur Bewegungsunfähigkeit verdammt. Man darf ja praktisch nichts mehr verdienen, was man wieder ansparen könnte über einen gewissen Zeitraum, man darf die Stadt nicht verlassen – man muss seine Freiberuflichkeit also quasi einstellen und das irgendwie aussitzen und letztlich auf eine Festanstellung warten, die es so ja gar nicht mehr gibt. Das ganze System ist – neben allen anderen Zynismen, die es enthält –in sich vollkommen widersprüchlich und falsch gebaut.

Was das BGE angeht: Ich stehe der Idee einigermaßen offen gegenüber – warne aber gleichzeitig davor, diese Frage zu blauäugig anzugehen. Denn die meisten BGE-Modelle, die in der Diskussion sind, basieren letztlich auf der Aufkündigung der Sozialstaatsreste, die wir noch haben. Wollen wir das wirklich: jeden sich selbst überlassen? Ich kann z.B. auch dem aktuellen Vorschlag von Ursula von der Leyen etwas abgewinnen, die Sozialversicherungsbeiträge für alle Freiberufler vorschlägt. Ich weiß, dass Zehntausende eh schon klammer Freier da wütend aufgeheult haben – aber das ist viel zu kurz gedacht! Es gibt Vorsorgesysteme wie z.B. die Künstlersozialkasse, in der ich auch bin – und dadurch leiste ich nur einen solidarischen Beitrag für Krisenfonds für andere, sondern ich erhalte sogar Zuschüsse für meine Krankenversicherung und werde später zumindest auch eine kleine staatliche Rente erhalten. Und ich bin jetzt auch in der Arbeitslosenversicherung drin – das heißt, ich werde wohl nie mehr auf Hartz zurückgreifen müssen, egal wie schlecht es mal läuft und obwohl ich Freiberuflerin bin.  Mein Verdacht: Viele Leute haben dermaßen einen Geld-Druck zur Zeit, dass sie den Überblick verloren haben, was nun wirklich längerfristig sinnvoll wäre an Reformen. Die Sehnsucht nach einem ,Alles muss irgendwie anders werden‘ ist so groß, dass manchmal das Strategische, Rationale auf der Strecke bleibt in all diesen Debatten.

5. Was hast Du Neues aus der Diskussion zu „Selbstsorge und Echtleben“ gezogen? Was hat Dich überrascht?

Ich fand vor allem sehr erhellend, was meine Podiums-Partnerin Dr. Sabine Flick beigetragen hat: die Perspektive aus einer vermeintlich sicheren Gut- und Besserverdienerperspektive, aus der konservativeren Banken-Branche nämlich. Ergänzend zu meinen Einblicken aus der prekären Freelancer-Welt hat Flicks Vortrag sehr schön gezeigt: Wie wir ,Arbeit‘ zur Zeit organisieren, das ist für alle die Hölle, für die Festangestellten genau wie für die Freien, für die dicken Fische wie für die Prekären. Der Selbst-Verwertungs-Zwangs trifft alle. Und wieder einmal bin ich mit einem moderat optimistischen Eindruck nach Hause gegangen. Die Tatsache, dass all diese Dinge seit ein, zwei , drei Jahren öffentlich thematisiert werden, zeigt, dass niemand mehr so richtig einverstanden ist mit den Systemen, wie sie zur Zeit laufen. Es wird sich etwas ändern müssen.

Teil I und Teil II des Interviews gibt es hier auf www.glucke-magazin.de:

dieKreative: Katja Kullmann im Interview 

dieKreative: Katja Kullmann im Interview, Teil II

Mehr Informationen, Artikel und Posts zum Palast der Produktion gibt es hier.

 

Katja Kullmann blogt auch sehr lesenswert!